
An den ersten Atemzug erinnert sich wahrscheinlich niemand. Daran, wie man da auf der Brust der Mutter liegt, mit verklebten Augen das saure Desinfektionsmittel, altes Blut und Kernseife einatmet, den Geruch des verschwitzten Kittels der Hebamme absorbiert und brüllt wie am Spieß.
Die Hand der Mutter loslassen, ganz ohne Hilfe laufen, an dieses erste Mal erinnert man sich womöglich. Loslassen und dann doch alleine auf die Nase fallen. Auf den frisch geputzten Steinboden, der nach Meister Proper riecht. Oder draußen in den Dreck fallen. Das erste Mal, wenn Erdbollen und Gras die Nasenlöcher verstopfen, dich nicht mehr schnaufen lassen, spitze Steinchen in deinem Knie stecken.
Oder das erste Mal Fahrradfahren ohne Stützräder. Stopp, sie hatte gar kein Fahrrad und damit auch keine Stützräder. Das erste Mal das Fahrrad des kleinen Bruders nehmen dürfen und es sofort können müssen. Schließlich kann es der kleine Bruder auch. Und dann doch scheitern, flirrende Sternchen sehen und den Geschmack der blutigen Lippe kosten.
Das erste Mal mit den Eltern und dem kleinen Bruder nach Österreich fahren. Das Auto vollkotzen und danach für immer zuhause bleiben. Der Vater sieht rot, zum ersten Mal hört sie schlimme Worte aus seinem Mund. Die Eltern nehmen nur noch den kleinen Bruder mit, sie wird bei den Großeltern abgegeben. Bei denen riecht es nicht nach Kotze, es schmeckt nach Pfannkuchen und Dampfnudeln, nach Komödienstadel und blechener Volksmusik aus dem Transistorradio.
Das erste Mal Sex, wenn man es überhaupt Sex nennen kann, dieses unsichere hitzige Tasten nach unbekannten Körperteilen, das Befingern und Befingertwerden, sein ungestümer grober Griff nach den Brüsten, das Suchen nach dem Unterleib, die klebrigen Hände. Der Geruch von Schweiß und Sperma. Der Geruch von Essig und Öl. Gelungen war es nicht, dieses erste Mal, aber das war kein Problem: Es gab ein weiteres erstes Mal und noch eins und noch eins und noch eins. Und es schmeckte immer besser.
Das erste Mal. Immer und immer wieder ein erstes Mal.