Basquiat

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Jean-Michel Basquiat in der Schirn, Frankfurt (Mai 2018)

Da gibt es Fotos von Häuserfassaden, die Basquiat gemeinsam mit einem Freund unter dem Signet „SAMO“ (same old shit) besprüht hat. Das war wohl 1978, als er siebzehn Jahre alt war. Zornig muss er gewesen sein, er, der bereits Familie und Schule verlassen hatte.
Dann gibt es Vitrinen mit Postkarten, die er gestaltete, um sie zu verkaufen und sich über Wasser zu halten. Der Legende nach hat auch Warhol eine dieser Karten für einen Dollar gekauft. Der Kauf eine gute Anlage, wenn man bedenkt, was Basquiat, der Superstar, heute wert ist.
Sie selbst ist 1990 zum ersten Mal nach New York gekommen. Sie war 30 und Basquiat, der im selben Jahr wie sie selbst geboren war, bereits tot. Postkartenoriginale von Basquiat gab es da schon lange keine mehr zu kaufen. Auch die Häuserfronten in der Lower Eastside sahen da schon längst nicht mehr so aus wie auf diesen Fotos in der Ausstellung, vieles war saniert und „geschönt“.
Zu Lebzeiten war Basquiat Nacht für Nacht in den angesagten Clubs unterwegs. Meine Freundin, die damals in New York lebte, ist stolz, ihn verschiedene Male beim Feiern getroffen zu haben.
Sein Leben währte gerade einmal 27 Jahre, eine Überdosis Heroin brachte ihn im August 1988 um. In den zehn Jahren, in denen er mit und von der Kunst lebte, schuf er rund tausend Bilder, meist Acryl und Ölkreide auf Leinwand.
In der Ausstellung wird eine Auswahl von rund 100 Werken gezeigt. Manches davon scheint unvollständig, oberflächlich, schnell hingeworfen. Man wird in Abgründe voller Symbole, Ziffern, Chiffren, Zitate gezogen. John Berger hat einmal geschrieben, Basquiat „durchschaut die (visuellen, verbalen und akustischen) Lügen, die jede Minute auf uns einprasseln. Diese Lügen zerlegt und ausgeweidet zu sehen, ist eine Offenbarung.“
Man spürte beim Gang durch die Ausstellung, dass Basquiat ein Rastloser, ein Getriebener war.
Manches erinnert an Cy Twombly. Manches erinnert an Mindmaps, die er möglicherweise angefertigt hat, um Dinge im Gedächtnis zu behalten, um die „Lügen“ im Auge zu behalten. Weil er schwarz war, galt sein Interesse der allgemeinen Diskriminierung von Schwarzen, insbesondere von schwarzen Sportlern und Musikern. Er beschäftigte sich intensiv mit dem schwarzen Jazz, er liebte Musik. Man könnte sagen, dass Musik eine seiner wich­tigs­ten Inspi­ra­ti­ons­quel­len war: Er sammelte Unmengen von Büchern über Musik, er sammelte Platten. Manches davon ist ausgestellt. Er hörte während des Arbeitens in seinem Atelier nicht nur permanent Musik, er machte auch selbst Musik. Die einzige Platte, die er 1983 aufgenommen und für die er das Cover gestaltet hat, läuft in der Ausstellung.
Um Andy Warhol warb er 1982 mit den lustigen „Doz Cabezas“ (Zwei Köpfe), die er diesem, wie man sich erzählt, nach gerade einmal zwei Stunden noch feucht vorbeibrachte. Man kann sich vorstellen, dass der junge, agile, gut aussehende Basquiat für den alten Warhol eine echte Bereicherung darstellte.
Mein Lieblingsbild aber ist dieses schwarze Brustbild, ähnlich einem Scherenschnitt. Vor dem Hintergrund schmutzig weißer Farbe sind im Schwarz nur zwei Augenschlitze ausgespart. Keine Nase, kein Mund. Zu Berge stehende Rasta-Haare. Ein „Self-Portrait“, gemalt 1983.
Erst war ich total unzufrieden. Alles war mir ein bisschen zu schnell hingekritzelt, nicht nachhaltig genug, keine „fertige“ Kunst.
Am Ende war ich doch zufrieden: Über die Werke Basquiats konnte ich gedanklich zurückfinden in meine 80er Jahre, die in Süddeutschland stattfanden und komplett weiß waren. Trotzdem gab es auch da ein verbindendes Element: Dieses rastlose Suchen… Und meine Gedanken führten mich auch zurück ins New York der beginnenden 90er Jahre… Aufregend, auch ohne Basquiat…

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